Just do different: Wie Nike Steve Jobs inspiriert hat, anders zu denken
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Apple Store, Taikoo Li, Chengdu, China
Steve Jobs, noch ohne sein Markenzeichen: dem Rollkragenpulli – im schwarzen Sweater, die Ärmel hochgekrempelt, kurze Cargo-Hose und Sneakers – betritt die Bühne in einem kleinem Raum.
Der Zeitpunkt ist 1997. Der Ort: Die Apple-Zentrale in Cupertino im kalifornischen Silicon Valley. Die Ansprache richtet sich an Apple Mitarbeiter, kurz nach der Rückkehr von Steve Jobs zu Apple als CEO. 12 Jahre nach seinem Rauswurf bei Apple.
Im Publikum sitzen vielleicht 50 Mitarbeiter. Hinter ihm stehen große Rechner, schwere Monitore auf großen Tischen, davor einige Barhocker. Jobs macht ein paar Schritte, stützt sich mit einer Hand an einem der Tische ab und beginnt:
“Für mich… geht es im Marketing um Werte. “
Es folgt eine perfekte Pause, um das Gesagte wirken zu lassen. Als würde ihm der Gedanke gerade erst zufliegen, nimmt er ihn auf und präsentiert ihn als Status Quo:
“Es ist eine sehr komplizierte Welt da draußen; es ist eine sehr laute Welt. Unsere Chance, dass die Menschen sich an uns erinnern, ist gering. Kaum ein Unternehmen schafft das. Und darum müssen wir uns wirklich klar machen, was die Menschen über uns wissen sollen.”
Pause.
Jobs macht ein paar Schritte, sein Körper kippt leicht nach vorne, er faltet die Hände. Würde er jetzt so, auf der Kanzel einer Kirche stehen und predigen, wäre seine Haltung auch hier, die absolut angemessene Körpersprache dafür.
Aber Steve Jobs spricht nicht über Gott, nicht über Religion, nicht über Jesus – er spricht darüber, dass Apple einer der besten Marken der Welt ist. Gleichauf mit Nike, Disney, Coke, Sony.
“Apple ist eine der ganz großen Marken. Nicht nur in Amerika, auf der ganzen Welt. Aber selbst eine großartige Marke braucht Investition und Fürsorge, wenn sie ihre Relevanz und Vitalität behalten will. Und was das betrifft, hat die Marke Apple in den letzten Jahren ganz klar unter Vernachlässigung gelitten. Und wir müssen sie wieder dahin zurückbringen.”
Jobs macht ein paar Schritte. Er wirkt konzentriert.
“Wie wir das schaffen können...ist nicht, indem wir über Geschwindigkeiten und Gebühren sprechen. Nicht über Megahertz und Mikroprozessoren. Und nicht darüber, warum wir besser sind als Windows.”
Zwei, drei Schritte, ein kurzes Nicken, dann betrachtet er sein Publikum. Er erklärt: “Die Milchindustrie hat zwanzig Jahre lang versucht, euch davon zu überzeugen, dass Milch gut für euch ist. Es ist eine Lüge, aber sie haben’s trotzdem versucht. “
Sein Publikum lacht.
“Und die Verkäufe entwickelten sich so…”
Jobs hebt seinen linken Arm und deutet mit seiner flachen Hand einen Absturz an. Dann haben sie mit ihrer Werbeagentur “Got Milk?” entwickelt und die Verkäufe entwickelten sich so…”
Steve Jobs Hand steigt jetzt steil nach oben.
Got Milk? ist die von der Werbeagentur Goodby, Silverstein & Partners entwickelte, großartige Kampagne, die einen klugen Insight in den Mittelpunkt ihrer Kommunikation stellt: Man braucht Milch immer dann, wenn sie gerade nicht da ist. Das führt oft zu kleinen Dramen und Katastrophen.
“Die Kampagne kommuniziert nicht einmal das Produkt - die Message konzentriert sich vielmehr auf die Abwesenheit des Produktes.”
Lautes Lachen. Einige Mitarbeiter geben ihrem Impuls nach und klatschen. Steve Jobs aber bleibt fokussiert. Das was er gesagt hat war witzig, das was er jetzt sagen will, ist wichtig.
Wieder faltet er seine Hände, macht ein paar Schritte und sagt: “Aber...das beste Beispiel von allen...und eine der größten Leistungen des Marketings, die das Universum je gesehen hat, ist Nike.”
Kurze Pause.
“Überlegt mal, Nike verkauft ein Produkt. Sie verkaufen Schuhe. Und trotzdem, wenn wir an Nike denken, empfinden wir etwas anderes, dann denken wir nicht an ein Schuhunternehmen. Wie ihr sicher wisst, sprechen sie in ihrer Werbung nie über das Produkt. Sie erzählen euch nie von ihren Luftsohlen und warum sie besser sind als die Luftsohlen von Reebok. Was macht Nike in ihrer Werbung?”
Jobs macht eine Pause, sieht ins Publikum.
“Sie ehren Sportler und sie ehren Athleten auf der ganzen Welt. Das ist es, was sie sind, was sie ausmacht und das ist es, worum es ihnen geht.”
Pause.
"Apple gibt ein Vermögen für Werbung aus. Darauf würde man nie kommen. Darauf würde man niemals kommen. Ist aber so. Als ich hierher zurückkam, hat Apple gerade seine Agentur gefeuert. Wir machen also einen Wettbewerb mit dreiundzwanzig Agenturen. Jede von ihnen weiß, dass wir in vier Jahren eine von ihnen auswählen würden. Und dann haben wir den ganzen Pitch gecancelt und die Agentur Chiat-Day eingestellt - die Werbeagentur, mit der ich das Glück hatte, vor Jahren zusammenzuarbeiten. Wir haben einige preisgekrönte Arbeiten geschaffen. Darunter auch den Werbespot, der von Werbeexperten als “Best Ad Ever Made” ausgezeichnet wurde - "1984".
Pause.
“Und vor etwa acht Wochen haben wir mit der gemeinsamen Arbeit angefangen. Wir haben uns zuerst die Frage gestellt: Unsere Kunden wollen wissen: Wer ist Apple und wofür steht die Marke? Wie passen wir in diese Welt?”
Pause. Steve Jobs denkt kurz nach. Nein, er denkt nicht nach, er weiß ganz genau was er sagen will – was er sagen wird.
“Es geht uns nicht darum, einfach nur Kästen für die Menschen herzustellen, damit sie ihre Arbeit erledigen können, obwohl wir das gut machen. Wir machen das in manchen Fällen besser als alle anderen. Aber bei Apple geht’s um mehr als das."
Pause.
Steve Jobs setzt sich auf die Kante eines Schreibtisches. Faltet die Hände zusammen. Für einen Moment hält er inne. Sieht auf seine Hände. Er sagt:
"Apple in seinem Kern – unser Kernwert – beruht darauf, dass wir davon überzeugt sind, dass Menschen mit Leidenschaft die Welt zum Besseren verändern können. Das ist es, woran wir glauben. Und wir haben die Möglichkeit, mit solchen Menschen zusammenzuarbeiten. Wir haben die Chance, mit Menschen wie euch zusammenzuarbeiten: Mit Software-Entwicklern, mit Kunden, die es auf große und kleine Weise schon getan haben. Und wir sind davon überzeugt, dass genau diese Menschen unsere Welt zum Besseren verändern können. Und dass diejenigen, die verrückt genug sind, zu glauben, sie könnten die Welt verändern, es auch tatsächlich tun.”
Steve Jobs macht ein paar Schritte und leitet ein, was alle gleich auf einer großen Leinwand sehen werden:
"Und darum werden wir uns in unserer ersten Marketingkampagne seit mehreren Jahren wieder auf diesen Kernwert besinnen. Vieles hat sich geändert. Der Markt ist ein völlig anderer Ort als noch vor einem Jahrzehnt – und Apple ist völlig anders. Der Platz, den Apple darin einnimmt, ist völlig anders.”
Einschub: Wir befinden uns im Jahr 1997! Und wie sieht es wei Jahrzehnte später aus? Blick auf unsere Gegenwart: 2020. Unser Markt heute ist noch mal ein völlig anderer Ort, als noch vor zwei Jahrzehnten, als Steve Jobs seine Rede vor seinen Mitarbeitern gehalten hat. Aber hat sich auch unser Marketing verändert? Weiterentwickelt? Nope. Es kamen neue Plattformen, neue Technologien, neue Möglichkeiten dazu, aber die Art und Weise wie wir kommunizieren hat sich kaum verändert.
Zurück zu Steve Jobs: "Und glaubt mir, die Produkte, die Vertriebsstrategie und die Herstellung sind völlig anders. Und wir verstehen das. Aber Werte und Kernwerte – diese Dinge sollten sich nicht ändern. Die Dinge, an die Apple in seinem Kern immer geglaubt hat, sind die gleichen Dinge, für die Apple auch heute noch wirklich steht. Und darum wollten wir einen Weg finden, das zu kommunizieren. Und was wir haben, ist etwas, das mich sehr bewegt - es ehrt jene Menschen, die die Welt verändert haben. Einige von ihnen leben und andere nicht. Aber ich bin sicher, hätten diejenigen, die nicht mehr leben, jemals einen Computer benutzt, es wäre ein Mac gewesen.”
Pause.
Sein Publikum lacht.
"Das Thema der Kampagne ist "Think Different". Es geht um die Menschen, die die Menschen ehren, die anders denken und diese Welt voranbringen. Und das ist es, worum es uns geht. Es berührt die Seele dieses Unternehmens. Darum möchte ich, dass Apple das weiterführt und ich hoffe, dass ihr genauso darüber denkt wie ich."
Das Licht wird ausgeschaltet. Steve Jobs lässt den Film zur neuen Positionierung starten. Den Manifesto-Film, den wir wahrscheinlich alle kennen. Richard Dreyfuss spricht die Worte, die der Chiat-Day Copywriter Craig Tanimoto geschrieben hat. Seine Stimme untermalt und begleitet die Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit Bildern von Maria Callas, Picasso, John Lennon & Yoko Ono, Muhammad Ali, Dali, Rosa Parks, Bob Dylan, Martha Graham, Alfred Hitchcock, Charlie Chaplin, Einstein, Martin Luther King Jr. und einigen anderen – und er geht so:
Here’s to the crazy ones – the misfits, the rebels, the troublemakers, the round pegs in the square holes, the ones who see things differently. They’re not fond of rules. And they have no respect for the status quo. You can quote them, disagree with them, glorify or vilify them. But the only thing you can’t do is ignore them because they change things. They push the human race forward. And while some may see them as the crazy ones, we see genius. Because the people who are crazy enough to think they can change the world, are the ones who do.
Apple - Chiat/ Day
Wie Nike und Apple andere Marken inspirieren können – wenn sie von ihnen lernen wollen
Nike hat Steve Jobs inspiriert – was Marketing betrifft – völlig anders zu denken. Ja, Nike ist das Vorbild und hat ihn zu “Think Different” inspiriert.
Und genau darum ist Apple heute Apple.
Und Nike?
Nike macht auch heute noch genau das, was Steve Jobs schon damals begeistert hat und was Nike schon immer getan hat: In seiner Kommunikation fokussiert sich das Unternehmen nicht auf seine Produkte, sondern darauf, Stories zu erzählen, die Emotionen beim Publikum wecken.
Ich glaube, bis heute kommuniziert keine andere Marke so fokussiert und klar eine einzige und einheitliche Brand Story. Kaum eine andere Marke steht so radikal für die eigenen Werte ein und kaum eine andere Marke beherrscht die Kunst des Brand Storytellings so brilliant wie NIKE.
Kaum ein andere Marke versteht es so gut wie Nike, dass es im Marketing vor allem um Werte geht. Ganz einfach – eigentlich.
Wofür steht deine Marke?
Und damit meine ich nicht die leeren und austauschbaren Wort- und Werte-Hülsen, die man auf den meisten Websites findet. Und ich meine auch nicht den lächerlichen Purpose-Zug, auf den jetzt alle aufspringen.
Das hier ist Nike’s Mission und wir erkennen sie in allem was sie sagen und tun, wieder und wieder und immer wieder. Das ist ihre große Brand Story, die sie variieren und die sie ständig weiterentwickeln – aber niemals verändern. Der Kern, ihr Ursprung, ihr Antrieb bleibt immer gleich.
BRING INSPIRATION AND INNOVATION TO EVERY ATHLETE* IN THE WORLD.
*IF YOU HAVE A BODY, YOU ARE AN ATHLETE.
Story Branding vor Story Telling
Was musst du tun, um eine inspirierende Brand Story zu erzählen? Starte mit dem Story Branding Prozess und der beginnt bei den Werten deiner Marke. Deine Werte bilden das Fundament für all deine Entscheidungen, deine Arbeitskultur und deine Kommunikation.
Wer eine große und einheitliche Brand Story erzählen will, sollte am Anfang anfangen. Und der Beginnt beim Story Branding. Viele Unternehmen und Marken wollen immer gleich Storytelling einsetzen. Aber wes willst du erzählen, wenn du nicht weißt, wofür du stehst? Hier noch mal das Beispiel von NIKE:
Nike's Mission, Philosophie & ihre Brand Story – eine einheitliche Message, die sie immer und überall kommunizieren.
Such nach den echten Werten deines Unternehmens. Grab sie aus. Grab tiefer. Geh zurück an die Anfänge. Vielleicht sind sie schon vor längerer Zeit verschüttet worden, liegen tief begraben unter einem Haufen leerer Phrasen, austauschbaren Mission Statements und uninspirierten Werte-Hülsen.
Suche gemeinsam mit deinen Mitarbeitern nach den echten Werten. Werte, die euch wirklich ausmachen. Werte, die für euch wirklich relevant sind. Werte, die für euer Publikum relevant sind, damit es sich mit eurem Unternehmen, eurer Marke identifizieren kann.
So und nur so, können wir – als Marke, Unternhemen, Start-up oder Personal Brand – eine ehrliche, tiefe und langfristige Verbindung mit unserem Publikum aufbauen.
Nur wenn dein Publikum die Werte deiner Marke teilt, kannst du eine langfristige Beziehung aufbauen
Was können wir uns von Steve Jobs abschauen? Wir können uns zum Beispiel dieselben Fragen stellen, die er sich gestellt hat, als er die 180 Grad-Drehung für Apple in Angriff genommen hat:
Wer ist unsere Marke und wofür steht die Marke?
Wie passen wir in diese Welt?
Und wie können wir (positiven) Impact auf unsere Welt, auf die Welt unseres Kunden ausüben?
Werte sind etwas Großartiges, wenn sie echt sind. Wenn sie einmal klar formuliert sind, dann sind die Stories, die ihr dazu erzählen könnt...unendlich. Also füllt sie mit Leben, habt Spaß und kommuniziert eure Werte so, dass es euch ein wenig Angst macht. Dann könnt ihr sicher sein, dass ihr richtig liegt.
Anmerkung: In Kürze kommt ein Artikel, in dem ich konkret auf den Story Branding Prozess und das Arbeiten mit Werten eingehe – so stay tuned.
Nicht vergessen: Eine starke Story-Marke hat eine konkrete Mission, eine Ambition und einen absolut klaren Fokus – der nur einem einzigen Zweck dient: Den Kunden zum Helden zu machen. Ob B2B oder B2C (Remember: there’s only H2H)
Seit Steve Jobs Ansprache im Jahr 1997 ist unsere Welt noch viel lauter geworden. Wer hier eine Chance haben will in Erinnerung zu bleiben und zu seinem Publikum eine Verbindung aufzubauen, der muss nicht mit brüllen – aber er sollte klarmachen, wofür er steht.
Beginne mit dem Story Branding vor dem Storytelling: Werte ausgraben, Werte ausleben und klar kommunizieren.
In diesem Sinne...
Discover your Story Brand – viel Spaß beim Entdecken!